Storytelling mal ganz einfach: Spannende Geschichten schreiben Sie, indem Sie drei essenzielle Zutaten finden und mit Hilfe einer simplen Formel kombinieren.
Wenn Sie wollen, dass Menschen Ihre Texte lesen, haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder Sie schreiben einen interessanten Text oder einen spannenden.
Das ist nur auf den ersten Blick banal. Denn spannende Texte unterscheiden sich fundamental von interessanten Texten.
Hoppla: Der weißrussische Diktator lässt jetzt schon Passagier-Flugzeuge entführen!
Wahnsinn: Robert Lewandowski hat in einer Saison 41 Tore geschossen – Ligarekord!
Krass: Die UN schätzt, dass weltweit jedes Jahr 745.000 Menschen an Überarbeitung sterben.
Das waren drei Beispiele für interessante Inhalte. Interessant sind sie, weil sie uns mit neuen und kaum erwartbaren Zahlen, Daten und Fakten überraschen.
Spannung ist das genaue Gegenteil von Überraschung.
Gespannt sind wir, weil wir schon in eine bestimme Richtung ahnen, auf ein bestimmtes Ende hoffen – oder weil wir fürchten, dass unsere Hoffnung am Ende enttäuscht wird.
Die Fans des 1. FC Köln und von Holstein Kiel beispielsweise sind momentan sehr gespannt. Denn schon bald entscheidet sich, welche der beiden Mannschaften die nächste Saison in der 1. Liga kickt.
Für ihre Anhänger bedeutet das Tage zwischen Hoffen und Bangen.
Wenn Sie spannende Texte schreiben wollen, müssen Sie auch Ihre Leserinnen und Leser hoffen oder fürchten lassen – oder am besten gleich beides auf einmal.
Die Frage ist jetzt natürlich, wie Ihnen das gelingt.
Spannende Geschichten schreiben – mit diesen 3 Elementen klappt es
Drei Dinge haben alle spannenden Geschichten vom Cartoon über die Wissenschaftsreportage bis hin zum Spielfilm gemeinsam:
Sie drehen sich immer um einen Konflikt.
Sie erzählen immer davon, wie sich Held:innen in diesem Konflikt bewähren.
Und sie schildern immer eine Handlung, in deren Verlauf sich der Konflikt schließlich auflöst.
Wenn in Ihrem Text auch nur eine dieser Zutaten fehlt, wird ihn niemand spannend finden. (Interessant vielleicht schon.)
Spannende Geschichten beginnen immer mit einem Konflikt
"Good storys come from the dark side", schreibt uns Robert McKee, Drehbuch-Experte und einer der weltbesten Lehrer des kreativen Schreibens hinter die Ohren.
Das gilt nicht nur für Kinofilme, sondern für alle Geschichten. Auch für Ihre.
Das erste Element, das Sie für Ihre Story brauchen, ist also ein schöner, dicker Konflikt, ein Problem, ein unerfüllter Wunsch.
Aber wo kriegen Sie den her?
Der Kommunikationsberater Simon Sinek empfiehlt: "Start with why!" (Der Link führt zu Sineks viel gerühmten TED-Talk zum Thema – angeblich der am dritthäufigsten geklickte TED-Talk überhaupt. Anschauen!)
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People don't buy what you do. They buy why you do it.
Simon Sinek / Kommunikationsberater
Sinek beklagt, dass die meisten (Unternehmen) in ihrer Kommunikation fast ausschließlich darüber sprechen, WAS sie tun und WIE sie es tun.
Das mag zwar interessant sein. Doch den Stoff für spannende Geschichten finden Sie nicht im WAS und nicht im WIE.
Fragen Sie lieber WARUM und WOZU!
Das sind die Schlüsselfragen, die zu guten Storys führen.
Denn sie lenken die Aufmerksamkeit auf die Probleme, die Menschen bewegen, auf ihre inneren Konflikte, ihre unerfüllten Wünsche und ihre tiefsten Sehnsüchte.
Um mit den Protagonisten Ihrer Geschichte hoffen oder fürchten zu können, müssen Ihre Leserinnen und Leser wissen, welche Probleme sie wälzen, wovon sie träumen und wonach sie sich sehen.
1. Starten Sie beim Wozu! Das führt Sie direkt zum Konflikt.
Nehmen wir als Beispiel meine Arbeit als Schreibcoach, genauer, meine 1:1-Reportage-Coachings.
Wie könnte ich darüber eine spannende Geschichte schreiben?
Probieren wir es mit dem WAS!
In meinen 1:1-Coachings begleite ich Menschen, die lernen wollen, lesenswerte Reportagen zu schreiben und zu verkaufen.
Das ist hoffentlich für einige interessant. Aber niemand wird jetzt gespannt sein, wie die Geschichte ausgeht. Oder?
Was ist mit dem WIE?
In einem Online-Coaching begleite ich die Schreibenden durch den gesamten Prozess von der Themenidee bis zur Veröffentlichung ihrer Reportage.
Auch diese Info wird die Besucher meiner Website kaum hoffen und bangen lassen.
Spannend wird es erst, wenn ich an einem konkreten Beispiel zeige, WARUM meine Kunden dieses Coaching buchen und WOZU ich ihnen darin verhelfe.
Viele träumen davon, große Reportagen für ein möglichst großes Publikum zu schreiben. Doch die meisten haben noch nie eine echte Reportage geschrieben und trauen sich die journalistische Königsdisziplin nicht zu. Im Laufe unseres Coachings beweisen sie sich selbst, dass sie spannende Reportagen schreiben können. So mitreißend, dass renommierte Medien sie gerne veröffentlichen.
In diesem letzten Absatz steckt der Konflikt, den ich brauche, um eine Geschichte über mein Reportage-Coaching zu erzählen:
Der unerfüllte Wunsch mancher Kunden, endlich eine große Reportage in einem bekannten Medium zu veröffentlichen.
Übrigens habe ich diese Geschichte über Susanne tatsächlich geschrieben. Lesen Sie gern rein!
"
Storytelling is the most powerful way to put ideas into the world today.
Robert McKee
/ Drehbuch-Guru
2. Finden Sie eine Heldin, die sich gewaschen hat!
Es darf auch ein Held sein. Von mir aus auch mehrere.
Wichtig ist nur, dass Sie konkrete Figuren finden, die die Hauptrolle in Ihrer Geschichte übernehmen.
Schreiben Sie also nicht von "20.000 zufriedenen Kunden"! Zeigen Sie lieber einen dieser Kunden so nah und konkret Sie nur können!
Zur Heldin taugt nur, wer dem Konflikt ausgesetzt ist oder war, mit dem Ihre Geschichte beginnt.
Fragen Sie sich beim Casting für die Hauptrolle Ihrer Geschichte:
Wer hat in diesem Zusammenhang am meisten erlebt?
Wer hat am meisten gelernt oder gelitten?
Wo war der persönliche Wandel am größten?
Je größer der Kontrast zwischen Ihrer Heldin und ihrem Problem, desto besser!
Denn Helden mit kleinen Problemen, Wünschen oder Sehnsüchten lassen das Publikum kalt. Je schwerer es Ihre Heldin hat, ihr Ziel zu erreichen, desto größer die Hoffnung und Furcht Ihrer Leserinnen und Leser.
Merke: Der Kontrast zwischen den Helden und Ihren Wünschen bzw. Problemen erzeugt die Spannung in Ihrem Text.
Sorgen Sie dafür, dass diese Spannung möglichst groß ist.
Noch einmal zurück zu unserem Beispiel:
In der Geschichte über mein 1:1-Coaching wird Susanne die Hauptrolle spielen.
Susanne arbeitet für eine sehr kleine Lokalzeitung. Sie träumt schon lange davon, ihren Namen unter großen Reportagen in renommierten Magazinen und Zeitungen zu lesen. Aber Susanne quälen Selbstzweifel und Versagensängste. Mit meiner Hilfe will sie sich ihnen stellen.
Mit anderen Worten: Susanne ist die perfekte Heldin.
Mir bleibt in dieser Geschichte einmal mehr nur die Nebenrolle als Mentor. Auch schön. 😉

3. Erzählen Sie die richtige Handlung!
Beste Voraussetzungen für eine gute Geschichte.
Was jetzt noch fehlt, ist die Handlung.
Viele Autorinnen und Autoren scheitern an diesem Punkt. Der Grund dafür ist simpel: Sie zeigen die falsche Handlung.
Als Volontär bin ich selbst in diese Falle getappt:
Damals schrieb ich ein Porträt über einen Schamanen, für das ich mich bis heute schäme.
Für das Recherche-Interview mit dem Schamanen traf ich ihn in einem Münchener Café.
Der Text, den ich in diesem Café recherchierte, bestand in erster Linie aus Zitaten des Schamanen. Und in zweiter Linie aus Szenen, die ihn dabei zeigten, wie er seinen Kaffee umrührte.
Das Urteil der Volontär-Ausbilderin an der Akademie der Bayerischen Presse fiel vernichtend aus. In Schulnoten hätte ich wohl eine 4 minus für diesen Text bekommen.
Ich erzähle Ihnen das, damit Sie nicht den gleichen Fehler machen.
Wenn Sie einen Schamanen porträtieren wollen, müssen Sie ihn auf seiner Ekstase-Wiese besuchen. Sie müssen ihn bei der Arbeit erleben, dabei sein, wie er schamanistische Probleme löst.
Sonst recherchieren Sie die falsche Handlung!
Richtig ist die Handlung für Ihre Story nur dann, wenn sie den Helden dabei zeigt, wie er um die Lösung seines Konflikts kämpft, wie er Rückschläge erleidet auf dem Weg zum Ziel und wie er es schließlich doch erreicht.
Das ist der Stoff aus dem Sie die Handlung für Ihre Geschichte stricken.
4. Formen Sie aus den drei Elementen Ihre Geschichte!
Kennen Sie "Toy Story", "Findet Nemo!" und "Soul"? All diese und viele andere erfolgreiche Animationsfilme stammen aus derselben Filmfabrik: Pixar.
Dort arbeiten einige der besten Geschichten-Erzähler der Welt.
Sie entwickeln ihre Storys nach einer einfachen Formel, die auch Ihnen helfen wird, aus den Elementen Konflikt, Held und Handlung eine Geschichte zu formen.
Die Pixar-Formel für spannende Geschichten lautet:
Es war einmal ... Hier setzen Sie eine kurze, möglichst konkrete Beschreibung Ihrer Heldin ein.
Jeden Tag ... Jetzt beschreiben Sie kurz den Alltag der Heldin, ihre Situation bevor die Geschichte Fahrt aufnimmt.
Doch eines Tages ... Das ist die Stelle, an der die Heldin mit ihrem Konflikt konfrontiert wird.
Darauf hin ... Hier zeigen Sie, was die Heldin unternimmt, um ihr Problem in den Griff zu bekommen.
Und dann ... Lösen Sie den Konflikt nicht zu schnell. Lassen Sie das Publikum zappeln, indem Sie von kleinen Erfolgen und größeren Rückschlägen erzählen.
Bis schließlich ... Erst zum Schluss erlösen Sie Ihre Leserinnen und Leser, indem Sie zeigen, wie Ihre Heldin den Konflikt löst. Für Marketing und PR empfiehlt sich ein Happy End. Journalistische Texte dürfen auch ein schlimmes Ende nehmen.
Erzählen Sie der Welt Ihre Geschichten!
Der Konflikt, der Held und die Handlung sind die Zutaten für spannenden Geschichten.
Die Formel aus den Pixar-Studios ist das Rezept. Damit haben Sie alles, was Sie brauchen, um eigene Geschichten zu produzieren.
Wie detailliert und ausführlich Sie erzählen, passen Sie dem Medium, dem Anlass und der Zielgruppe an.
Nicht jede Story müssen Sie aufschreiben. Nutzen Sie sie, um Vorträge zu würzen! Streuen Sie sie in Gespräche ein. Drehen Sie ein Video! Bereichern Sie die Welt mit Ihren Geschichten!
Aber Vorsicht: Es gibt 3 Gründe, warum Storytelling in vielen Unternehmen scheitert.
Hilft Ihnen das beim Geschichten-Erzählen? Schreiben Sie Ihren Kommentar gerne gleich hier unter den Blogpost! Dann haben alle was davon.
Kalter Kaffee schmeckt nicht besser, wenn man ihn drei Mal umrührt. Es gibt Menschen, die investieren Zeit und lesen gern Bücher – für die mag Storytelling das Richtige sein. Andere Menschen wollen schnellstmöglich die für sie wichtigen oder wenigstens spannenden Ereignisse verständlich dargestellt haben – die flüchten bei Storytelling.
Journalismus sollte die zweite Gruppe bedienen. Für die Storybader/innen bieten die meisten Zeitungen ihre Samstagsmagazine an.
Lieber Gert, danke für deine Gedanken!
Du hast Recht, in manchen Texten ist Storytelling ein Zumutung. Als Leser von Ratgeber-Texten zum Beispiel will ich in erster Linie Tipps, die mir helfen, das Problem zu lösen, um das es in dem Text geht. Und nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt interessieren mich zunächst keine Geschichten, sondern das Ergebnis. In solchen Fällen nerven Storys.
Andererseits gibt es gute Gründe, Geschichten zu erzählen. Erlebnisse und menschliche Erfahrungen lassen sich nicht durch Zahlen, Daten und Fakten vermitteln. Dazu brauchen wir Storys – auch und gerade im Journalismus.
Ich glaube nicht, dass wir das Publikum in zwei Lager teilen können: die Geschichten-Bader und die News-Junkies. Ich glaube, jeder Mensch braucht beides.
Liebe Grüße
Steffen